Corona-Impfungen: Wie gut schützen sie noch vor Ansteckung und Erkrankung?
Dennoch: Die Skepsis gegenüber den Impfstoffen bleibt. Noch immer gibt es Menschen, die den Vakzinen misstrauen, sie als gefährlich, sogar giftig ansehen – obwohl es dafür keine wissenschaftliche Evidenz gibt. Auch gibt es Menschen, die die Sinnhaftigkeit der Impfungen infrage stellen: Warum sollte man sich impfen lassen, wenn es danach trotzdem möglich ist, sich mit dem Virus zu infizieren?
Die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe hat sich im Laufe der Pandemie immer wieder verändert. Auch, weil immer wieder neue Virusvarianten aufgetaucht sind. Was wir inzwischen über den Schutz der Impfungen wissen:
Wie viele Impfungen braucht es für einen vollständigen Schutz?
Inzwischen ist bekannt, dass es für eine gute Basisimmunität mindestens drei Antigenkontakte mit dem Coronavirus braucht. Das heißt, das Immunsystem sollte mindestens dreimal mit dem Spike-Protein, das für das Virus charakteristisch ist und auf seiner Oberfläche sitzt, in Kontakt gekommen sein. Das kann auf zwei verschiedenen Wegen passieren: durch Impfungen oder Infektionen.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt, dass mindestens zwei der Kontakte durch eine Impfung erfolgen sollten. Der dritte Kontakt kann dann entweder eine Impfung – eine sogenannte Boosterimpfung – oder eine Infektion sein.
Gerade Risikopersonen wie Menschen ab 60 Jahren, Vorerkrankte und Immungeschwächte sollten lieber auf eine Impfung setzen. Denn Infektionen können bei ihnen mit schweren Krankheitsverläufen verbunden sein. Ihnen empfiehlt die Stiko zudem weitere Auffrischungsimpfungen im Abstand von mindestens zwölf Monaten. Sie sollten sich in Zukunft vorzugsweise im Herbst impfen lassen.
Ist die Schutzwirkung einer durchgemachten Infektion genauso gut wie die nach einer Impfung?
Sowohl bei einer Corona-Impfung als auch bei einer Infektion entstehen Antikörper, die für eine gewisse Immunität sorgen. Das Immunsystem kennt dann den Erreger und weiß, was zu tun ist, sollte er noch einmal den Körper befallen. Wichtig ist, dass sich vor allem neutralisierende Antikörper bilden, die das Spike-Protein des Coronavirus blockieren und so verhindern, dass der Erreger in die Zellen gelangt.
Dieser Schutz der neutralisierenden Antikörper ist nach Infektionen prinzipiell geringer als nach den Impfungen. Vor allem dann, wenn Menschen nur milde Symptome haben oder gar keine. Wie stark die Infektion ausgeprägt ist, ist einer der Faktoren, der darüber entscheidet, wie groß die spätere Immunität ist, erklärt das Robert Koch-Institut (RKI).
Mit der Virusvariante Omikron, die aktuell für die meisten Corona-Fälle in Deutschland verantwortlich ist, mehren sich die milden Krankheitsverläufe. Vergangene Studien konnten nachweisen, dass der Immunschutz nach einer Infektion mit Omikron sogar schlechter ist als nach einer Impfung, besonders gegen andere Corona-Varianten.
Wie lange ist man nach der Corona-Impfung vor Ansteckungen geschützt?
So wie für alle Krankheitserreger gilt auch für Corona: Einmal infiziert bedeutet nicht für immer immun. Auch bei Corona ist es möglich, sich mehrmals mit dem Erreger zu infizieren – auch, wenn man eigentlich geimpft ist. Denn die Schutzwirkung der Impfungen lässt mit der Zeit nach.
Der nachlassende Impfschutz war schon bei früheren Corona-Varianten wie Delta zu sehen. Eine italienische Studie hatte zum Beispiel im Januar vergangenen Jahres gezeigt, dass der Schutz vor einer Reinfektion mit Delta von 82 Prozent drei bis vier Wochen nach der zweiten Impfung auf 33 Prozent nach 27 bis 30 Wochen sinkt.
Als mit Omikron eine sogenannte Immun-Escape-Variante auftauchte, nahm die schützende Wirkung weiter ab. Die Corona-Variante war so verändert, dass es ihr trotz Antikörpern gelang, Zellen zu infizieren und sich darin zu vermehren. Eine Übersichtsarbeit von Forschenden aus Italien, die im Mai im Fachmagazin "JAMA Network“ erschien, schätzte die Wirksamkeit der mRNA-Corona-Impfstoffe gegen Omikron-Infektionen und schwere Erkrankungen sechs Monate nach der zweiten Impfung auf weniger als 20 Prozent.
Was sich in Studien jedoch auch gezeigt hatte, war, dass eine Auffrischungsimpfung den Schutz verbessern kann. So war es auch bei der italienischen Studie: Eine weitere Impfung steigerte den Impfschutz vor einer erneuten Infektion, doch auch dann lag er neun Monate später nur noch bei etwas unter 30 Prozent.
Wie lange der Schutz vor Ansteckungen anhält, hängt also unter anderem von der zirkulierenden Corona-Variante ab. Auch der individuelle Zustand des Immunsystems spielt eine Rolle – also etwa, wie gut der Körper auf die Impfungen angesprochen hat. Und genauso nimmt die Infektionsdynamik in der Bevölkerung Einfluss: Je mehr Menschen sich mit dem Coronavirus infizieren, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch Geimpfte wieder unter den Infizierten sind.
Wie lange ist man nach der Corona-Impfung vor schwerer Erkrankung geschützt?
Das eigentliche Ziel der Corona-Impfungen ist es, schwere Krankheitsverläufe abzuwenden. Denn, wenn zu viele Menschen schwer an Covid‑19 erkranken, kann das die Kliniken und Arztpraxen schnell an ihr Limit bringen.
Mehrere internationale Studien konnten zeigen, dass die Impfstoffe tatsächlich einen guten Schutz vor schweren Covid‑19-Erkrankungen bieten. Eine Metastudie aus dem vergangenen Jahr bezifferte den Impfschutz beispielsweise mit bis zu 84 Prozent nach vollständiger Grundimmunisierung. Nach der Auffrischungsimpfung betrug er zwischen 12 und 100 Prozent im Vergleich zu keiner Impfung.
Das heißt, eine Auffrischungsimpfung kann auch den Schutz vor schwerem Covid‑19 noch einmal steigern. Allerdings lässt auch hier die Effektivität mit der Zeit nach: Wie die Studie feststellte, blieb der Schutz mindestens bis zu sechs Monate stabil und sank dann allmählich. "Die nachlassende Immunität war nach der Grundimmunisierung ausgeprägter als nach der Auffrischungsimpfung“, schrieben die Forschenden.
Obwohl die Schutzwirkung mit der Zeit nachlässt, ist es nicht so, dass die Impfungen damit unbrauchbar werden. Selbst wenn eine geimpfte Person sich mit dem Coronavirus infiziert, wird sie "aufgrund ihrer Impfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schwer an Covid‑19 erkranken“, erklärt das RKI. Eine Infektion kann also vielleicht für wenige Tage für Fieber, Husten und Schnupfen sorgen, aber wird wohl nicht mehr im Krankenhaus enden.
Es ist jedoch schwierig geworden, allgemeingültige Aussagen zum Schutzeffekt der Corona-Impfungen zu treffen. Das liegt daran, dass Menschen unterschiedlich oft geimpft sind und auch noch mit verschiedenen Impfstoffen. Gleichzeitig haben sich viele schon mit dem Coronavirus infiziert, manche mehrfach, andere wiederum noch gar nicht.
Wie gut sind die an Omikron angepassten Impfstoffe?
Als Omikron auftauchte und begann, die Impfstoffe zu überlisten, haben Impfstoffhersteller schnell reagiert: Sie entwickelten Vakzine, die an die zirkulierenden Virusvarianten angepasst sind. Jüngst kam ein an den Omikron-Abkömmling XBB.1.5 angepasster Impfstoff heraus.
Es zeigte sich, dass die angepassten Impfstoffe die Schutzwirkung steigern konnten – wenngleich das Problem des nachlassenden Impfschutzes bestehen blieb. Zum neuen XBB.1.5-Imfpstoff gibt es noch nicht allzu viele klinische Wirksamkeitsdaten. Eine Studie der Medizinischen Hochschule Hannover, die im November im Fachmagazin "The Lancet Infectious Diseases“ publiziert wurde, legt jedoch nahe, dass das Vakzin eine große Menge an neutralisierenden Antikörpern hervorruft – und zwar nicht nur gegen XBB-Subvarianten, sondern auch gegen die BA.2.86-Variante. Sie ist gemeinhin als Pirola-Variante bekannt und aktuell für mehr als die Hälfte aller Corona-Fälle in Deutschland verantwortlich.
Was ist eine hybride Immunität – und wie lange schützt sie vor dem Coronavirus?
Von einer hybriden Immunität spricht man, wenn eine Person sowohl geimpft als auch nach einer Infektion wieder genesen ist. Nach Ansicht von Expertinnen und Experten ist diese Form der Immunität der beste Schutz vor Corona.
Das bestätigte etwa Anfang des Jahres eine Studie aus Frankreich: Darin hatten Menschen, die ein- oder zweimal geimpft waren und sich zusätzlich mit dem Virus infizierten, höhere Antikörperkonzentrationen im Blut als Menschen, die nur geimpft waren. Für die Forschenden ein klarer Beweis dafür, dass sich auch Genesene impfen lassen sollten, um ihren Schutz zu verstärken.
Die Kombination aus Impfung und Infektion vermittelt laut RKI einen Schutz vor schweren Covid-19-Erkrankungen für mindestens zwölf Monate. Genauere Wirksamkeitsdetails hatte eine Metastudie Mitte Januar ermittelt: Sechs Monate nach der ersten Auffrischungsimpfung nach der letzten Infektion oder Impfung betrug der Schutz vor schweren Krankheitsverläufen und Krankenhauseinweisungen mehr als 95 Prozent. Der Schutz vor erneuter Ansteckung lag zum gleichen Zeitpunkt hingegen bei rund 47 Prozent.
Wie gut schützen die Corona-Impfstoffe vor Long Covid?
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, weil die wissenschaftlichen Daten hierzu nicht eindeutig sind. Es gibt Studien, die Hinweise liefern, dass die Corona-Impfungen die Häufigkeit und Ausprägung von Long-Covid-Symptomen nach einer Durchbruchinfektion mildern können.
Allerdings sind die meisten Studien ziemlich homogen: Untersucht werden häufig nur Erwachsene, die zweifach geimpft sind – und dann zu einem Zeitpunkt, als es Omikron noch nicht gab.
Jüngst kam eine Forschungsarbeit aus Schweden zu dem Schluss, dass jemand, der vor der ersten Corona-Infektion mindestens eine Dosis eines Corona-Impfstoffs erhält, ein geringeres Risiko für Long Covid hat. Die Arbeit ist im Fachjournal "The BMJ“ veröffentlicht worden und umfasste knapp 590.000 Erwachsene. Die Forscherinnen und Forscher merkten jedoch an, dass sich aus den Beobachtungen noch keine direkte Kausalität ableiten ließe.
Angesichts der Datenlage resümiert das RKI: "Zukünftige Auswertungen, beispielsweise mit Fokus auf verschiedene Impfstoffe, Risikogruppen, Geschlechterunterschiede und Langzeitbeobachtungen, müssen abgewartet werden, um die potenzielle Schutzwirkung der Impfung vor Long Covid besser abschätzen zu können.“