Haiti Krise: Wie geht es weiter seit Henrys Rücktrittsankündigung?
Seit der 74-Jährige im Ausland festsitzt, meldete er sich nicht zu Wort. Viele Menschen fühlen sich im Stich gelassen. "Es ist fast wie eine Familie, wo die Mutter und der Vater das Zuhause verlassen haben. Und die Kinder sind da und werden von allen Seiten angegriffen", sagte die haitianische Schriftstellerin und Aktivistin Monique Clesca der Deutschen Presse-Agentur. Gegen Henry wurde zudem im September 2021 im Zusammenhang mit der Moïse-Ermordung ermittelt, weil er mit einem Hauptverdächtigen telefoniert haben soll. Henry entließ den Staatsanwalt und den Justizminister.
Die Gewalt mächtiger Banden, die oft Verbindungen zu Politikern haben, hat seit der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse in der Nacht zum 7. Juli 2021 immer weiter zugenommen. Inzwischen haben die Banden laut UN rund 80 Prozent von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince unter ihrer Kontrolle. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind etwa 362.000 Haitianer innerhalb des Landes vertrieben, mehr als die Hälfte davon Kinder. Fast die Hälfte der rund elf Millionen Einwohner Haitis leidet unter akutem Hunger.
Bereits seit Anfang 2020 hat Haiti kein beschlussfähiges Parlament mehr. Für den 26. September 2021 angesetzte Präsidenten- und Parlamentswahlen wurden wegen der Sicherheitslage auf unbestimmte Zeit verschoben und bis heute nicht nachgeholt.
Der Einfluss der Banden reicht in Haiti weit in die politischen und wirtschaftlichen Machtzentren hinein. Neu ist, dass sie zunehmend unabhängig von diesen agieren. Mit kriminellen Aktivitäten wie Entführungen mit anschließender Lösegeld-Erpressung sind sie zu Geld gekommen, für das sie ins Land geschmuggelte Waffen gekauft haben – darunter Maschinengewehre und Präzisionswaffen, mit denen sie unterfinanzierte Polizei-Einheiten oft leicht überwältigen können.
Insgesamt gibt es in dem karibischen Krisenstaat laut Schätzungen mehr als 200 Banden, die meisten in der Hauptstadt Port-au-Prince und umliegenden Gebieten. Ende Februar schlossen sich die zwei mächtigsten Banden zusammen. Ihr Anführer, der Ex-Polizist Jimmy Chérizier alias "Barbecue", erklärte, wenn Henry nicht zurücktrete, werde es zu einem Bürgerkrieg kommen. Banditen legten große Teile Haitis mit ihrer Gewalt lahm: Sie griffen unter anderem Polizeiwachen und Flughäfen an. Auch wurden mehr als 4500 Häftlinge aus Gefängnissen befreit. Diplomaten der EU wie der USA und auch der deutsche Botschafter verließen vergangenes Wochenende Haiti. Es gehen keine Flüge von und nach Haiti mehr.
Bei dem Krisentreffen der Karibischen Gemeinschaft in Kingston sagte US-Außenminister Blinken weitere Unterstützung für Haiti in Höhe von 133 Millionen Dollar (rund 122 Millionen Euro) zu. Blinken sagte außerdem 33 Millionen Dollar an humanitärer Hilfe für Haiti zu. Bei dem Treffen in Jamaikas Hauptstadt Kingston, zu dem auch Kanadas Premierminister Justin Trudeau zugeschaltet war, wurde ein Vorschlag diskutiert, zur Lösung der politischen Krise einen Übergangs-Präsidialrat einzusetzen.
Der UN-Sicherheitsrat hatte die Mission zur Unterstützung der haitianischen Polizei im Kampf gegen kriminelle Banden bereits im Oktober genehmigt. Kenia will 1000 Polizisten entsenden und die Mission anführen; ein Gericht in dem ostafrikanischen Land urteilte allerdings, der Plan sei verfassungswidrig. Nach Angaben eines UN-Sprechers vom Montag kamen bislang zur Finanzierung der Mission erst 10,8 Millionen Dollar zusammen. Der US-Kongress gab die zugesagten Mittel bisher größtenteils nicht frei.