Die Rückkehr von Mario Draghi
Selbst als möglicher NATO-Generalsekretär ist er gehandelt worden. Zuletzt haben ihn der italienische Ex-Premier Matteo Renzi und der Politiker Carlo Calenda, die im Parteienspektrum zur Mitte gerechnet werden, als idealen Nachfolger von Charles Michel bezeichnet, den amtierenden Präsidenten des Europäischen Rates. Ob der 76 Jahre alte ehemalige EZB-Chef für ein europäisches Amt zur Verfügung stünde, ist völlig offen. In seinem Umfeld heißt es, dies sei nicht der Fall.
Freilich hat sich Draghi Rufen nie widersetzt, wenn sie für eine reizvolle Aufgabe mit der ausreichenden Dringlichkeit von den richtigen Leuten kamen. Doch alles bleibt pure Spekulation, solange die künftigen politischen Kräfteverhältnisse vor den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni noch völlig offen sind und nicht einmal klar ist, ob die Regierung Meloni Draghi unterstützen würde.
Selbst bei lebenswichtigen Sektoren mit gleichgerichteten Interessen wie Energie und Verteidigung "sahen wir uns selbst als Wettbewerber", sagte Draghi. Ein "radikaler Wandel" sei in der EU überfällig. Um im potentiell ruinösen Konkurrenzkampf gegen China und die Vereinigten Staaten zu überleben, müssten die Europäer ihre Kräfte bündeln.
Der überzeugte Europäer Draghi lässt derzeit noch viele Fragen offen, etwa die der umstrittenen Eurobonds zur Bezahlung der gemeinsamen Aufgaben. Doch das komme noch, heißt es über seinen Bericht, der in zehn Sachbereiche mit konkreten Handlungsempfehlungen untergliedert sein soll. Seinen Auftritt in Belgien beendete Draghi mit dem Aufruf, so viel Ehrgeiz zu zeigen, wie es die Gründerväter vor 70 Jahren bei der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl taten. Ob er dabei als Person oder nur mit weisem Rat mitwirken will, behält er vorerst für sich.